Unternehmenskultur scheint uns wie die "magische Box" in der Organisationsentwicklung. Sie scheint an allem Schuld, was nicht lösbar ist. Beispielsweise halten sich Mitarbeiter nicht an Vorschriften und Prozesse oder übernehmen keine Verantwortung, dann ist das gerne "ein kulturelles Problem". Dabei schwingt gerne der Unterton "das kann man nicht ändern" mit. Weisere Leute sagen immerhin "das kann man nur langfristig ändern".
Will man umgekehrt bei Vorzeigeunternehmen wissen, warum es da so gut läuft und wie von alleine, dann hört man ebenfalls sehr oft "Die haben einfach eine gute Kultur". Hält man dort nach Prozessen und Vorschriften Ausschau, stellt man tatsächlich ernüchternd fest, dass diese Unternehmen in ihren Prozessen und Vorschriften kaum besser oder schlechter sind als Andere. Es scheint also etwas dran zu sein an der Wunderwaffe "Kultur". Aber was ist eine gute Kultur? Wie schafft und erhält man sich eine gute Kultur?
Antworten bieten sämtliche in Hülle und Fülle vorhandenen Coaching- und Organisationsentwicklungsfirmen und Berater- also auch wir :-). Wieso gelingt es dann so selten? Spannend hierbei ist, dass fast jede Firma für sich Werte definiert hat. Meistens durch Führungskräfte und in vorbildlichen Fällen sind die Werte dann auch schön durchdekliniert für jede Rolle und jede Situation, was sie bedeuten und manchmal sogar noch mit Handlungsempfehlungen verbunden. Wieso funktioniert dieses Konstrukt in manchen Firmen und in anderen nicht? Hat eine gute Kultur am Ende gar nichts mit den Werten zu tun?
Vielleicht hängt es mit dem Inhalt und der Ausrichtung der Werte zusammen? Doch unabhängig von Branche, Region, Größe sind sich die Werte generell sehr, sehr ähnlich- ja erschreckend ähnlich. Manchmal bekommt der typische Wertestamm deutscher Organisationen noch kleine zusätzliche Facetten wie Geschwindigkeit oder Freude. Also wieder Fehlanzeige. Zusätzlich beobachten wir, dass Organisationen ihre Werte ganz unterschiedlich nutzen - für Marketingzwecke oder zur strategischen Ausrichtung. Sie haben jedoch in aller Regel eine Gemeinsamkeit: sie richten sich nach "außen" und auf die "Zukunft".
Hier sind wir schon bei einem wesentlichen Punkt: wir glauben nicht, dass eine nach außen und auf die Zukunft orientierte Kultur glaubhaft vermittelt werden kann, wenn sie nicht von innen (den Mitarbeitern) und jetzt in der Gegenwart getragen und gelebt wird. Wir glauben auch nicht, dass Werte- und Kulturentwicklung top-down übergestülpt werden kann, sondern im Idealfall mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet und diskutiert werden muss. Nur so kann eine Identifikation stattfinden. Und nur wenn ich mich als Mitarbeiter mit meiner Organisation und deren Kultur identifiziere, lebe ich sie permanent und bewusst, weil ich es will. Hier helfen mir 70 Seiten Werte-Beschreibungen und Überzeugungs-Schulungen nur sehr wenig. Motiviert und verantwortlich sehe ich mich nur für das, was ich selbst mitgestalte - nur dann habe ich auch eine Vorstellung, wie ich die Werte ausprägen möchte. Nur so beginne ich mein Verhalten und das meiner Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzten zu reflektieren und meinen Beitrag im Sinne der gemeinsam erarbeiteten Werte zu leisten.
Anbei finden Sie die Visualisierung einer Bottom-Up entwickelten Kultur für einen Kundenservice. Die entstandenen "Werte" unterscheiden sich gar nicht so sehr von den vorhandenen Werten der Organisation, aber sie sind verbunden mit individuellen Wünschen, Ideen und vorhandenen Problemen der Mitarbeiter. Das verpflichtet gerne!